Inmitten von Kindern und Care-Arbeit bietet „Mama geht tanzen“ Müttern eine 180-Minuten-Auszeit, um wieder in das Nachtleben einzutauchen. Doch hinter der Feierlaune entsteht eine Diskussion über Feminismus und Geschlechterstereotypen.

Der Bass dröhnt in Tinas Ohren. Um sie herum tanzen Menschen, es ist heiß. Erfrischung bietet nur der eiskalte Gin Tonic in ihrer Hand. Ihre Freundin zieht sie lachend zu sich, gemeinsam tanzen sie ausgelassen. Früher haben die beiden das jedes Wochenende gemacht, haben jeden Freitag die Clubs Düsseldorfs unsicher gemacht. Mittlerweile sind Abende wie diese eine Ausnahme. Tina ist jetzt keine Studentin mehr, sie ist seit 15 Jahren Mutter. Und heute will sie wieder „tanzen wie früher“.
Feiern unter angepassten Bedingungen
Genau das ist das Motto der Initiative „Mama geht tanzen“. Ins Leben gerufen von zwei Frauen aus Wuppertal soll es Müttern erlaubt werden, 3 Stunden unbeschwert zu tanzen und eine Pause vom Mama-sein einzulegen. Herkömmliche Club-Events sind dafür ungeeignet, befinden die Gründerinnen, bis 1 Uhr zu warten, bis man überhaupt im Club erscheinen kann, ist neben der Care-Arbeit für sie einfach nicht mehr möglich. Und so, ursprünglich aus Eigennutzen, starten sie die Party-Reihe, die es mittlerweile schon in über 70 Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt und zahlreich nachgeahmt wurde. Von 20 bis 23 Uhr füllen hier Mamas die Tanzflächen. Willkommen ist zwar jeder, auch Männer dürfen prinzipiell mitfeiern, das Marketing ist jedoch eindeutig auf die Zielgruppe „Mama“ zugeschnitten.
Tina tanzt wieder
Tina ist mittlerweile schon zum 3. Mal dabei. Und dass, obwohl sie eigentlich nicht die genaue Zielgruppe ist. Ihre Söhne sind bereits 16 und 18 Jahre alt, ein Babysitter ist schon lange nicht mehr nötig. Trotzdem fühlt sie sich abgeholt. „Ich fühle mich einfach noch sehr jung, aber zu alt für normale Clubevents.“, erzählt sie. Überzeugt hat sie der frühe Start, aber schon bald kristallisiert sich für sie ein weiterer Vorteil heraus: „Keiner ist da um einen anzubaggern. Alle sind einfach nur motiviert zu tanzen.“ Das Fehlen von männlichen Gästen hinterlässt also seine Spuren.
Zwischen Feminismus und Geschlechterstereotypen
Davon berichten auch zahlreiche Frauen unter den Instagram Posts der Initiative. Sie sprechen von einem „Safe-Space“, von guter Stimmung und einem unvergesslichen Abend. Zahlreiche Userinnen bedanken sich für die Möglichkeit. Aber dem können nicht alle zustimmen. Die 30-jährige Nadja kommentiert unermüdlich unter den Posts der Initiative. Sie spricht von „furchtbarem Marketing“ und kritisiert den feministischen Anspruch der Events.
„Ich weiß nicht warum es ausgerechnet „Mama geht tanzen“ heißen muss“, erklärt sie. Es gäbe ja auch keine vergleichbaren Events für Männer. Die gehen einfach so feiern. „Nur Mutti muss halt am nächsten Tag wieder fit für die Kinder sein.“ Als Feministin könne sie dieses Konzept einfach nicht unterstützen. Auch hinterfragt sie den immer wieder beschriebenen safe-space für Frauen. „Männer werden ja schließlich nicht an der Tür abgewiesen, die dürfen genauso mitfeiern.“ Damit Nadja an dem Event teilnimmt, müsste sich einiges ändern. Sie wünscht sich ein Event für Frauen, bei dem sie tanzen können, ohne belästigt zu werden, so lange sie wollen, berichtet sie. Egal ob Mama oder nicht. „Bis dahin streite ich auch gerne weiter unter Insta-Posts oder mit meinen Freundinnen, weil, im Endeffekt können wir das Patriachat halt nur gemeinsam zerschlagen“, erzählt sie und lacht währenddessen.
Feminismus oder einfach nur Party?
Das Patriachat zerschlagen, einen safe-space für Frauen bieten – all das wird immer wieder mit den Events verbunden. Aber ist das überhaupt das Ziel der Veranstaltungen? Auf offiziellen Kanälen wird dieser Anspruch nicht erhoben. Stattdessen heißt es auf der Website: „Mal wieder richtig feiern! Auch wenn wir Mamas sind!”. Das sich bei einem Event von Frauen, für Frauen der feministische Grundgedanke nicht wegdenken lässt, ist allerdings auch klar. Und auch die Ungerechtigkeit in der Notwendigkeit der Events lässt sich nur schwer ignorieren. Kinderbetreuung ist immer noch Frauensache – In verschiedengeschlechtlichen Paarhaushalten in Österreich werden zwei Drittel der Kinderbetreuung von Frauen geleistet. Kein Wunder also, das die „Mama geht tanzen“ Events so gut ankommen.
An all das denkt Tina aber nicht, als sie um 23 Uhr den Club verlässt. Sie ist einfach glücklich, einen schönen Abend mit ihren Freundinnen verbracht zu haben. Und vielleicht ist das ja auch der einzige Anspruch der Initiative.