Es erinnert an die Serie der Upper East Siders. Vergangenen Februar hat ein 16-jähriger Schüler eines Linzer Gymnasiums 225 Schülerinnen nach ihrem Aussehen und ihrer Beliebtheit gerankt und das für mehrere Stunden lang veröffentlicht. Die Bilder der Schülerinnen hat er von der Schulhomepage genommen – ohne deren Einverständnis. Eine Schülerin, eine Lehrerin und eine Psychotherapeutin teilen ihre Einschätzungen zu dem Vorfall.
Es ist längst kein Geheimnis mehr – Cybermobbingvorfälle häufen sich. Social-Media-Kanäle wie TikTok sind voller Accounts, die sich ganz dem Thema Beliebtheits- und Schönheitsbewertungen widmen und in WhatsApp-Klassengruppen wimmelt es nur so von Beleidigungen. Laut einem Bericht der WHO ist jedes sechste Schulkind von Cybermobbing betroffen. Eine alarmierende Zahl. Doch was bewegt Jugendliche zu solch folgenschweren Taten?
Serien als Vorbild und der Wunsch nach Anerkennung
Schüler:innen tun es aus Spaß, Rache, Gruppenzwang oder weil sie das Verhalten Anderer kopieren möchten. Letzteres war der Hauptgrund im Fall des Beliebtheitsrankings. Der 16-jährige Täter wollte den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nachahmen, der in seiner Studienzeit eine ähnliche illegale Tat begangen hat. So unterschiedlich die Motive, so ähnlich ihre Basis. Laut der Psychotherapeutin Christine Königshofer stehen Cybermobbingvorfälle stark mit Rankings in allen möglichen Bereichen in Verbindung.

Gesamtgesellschaftlich ist es sehr bedenklich, wie viel bewertet wird
Christine Königshofer, Psychotherapeutin
Egal ob in Serien wie Gossip-Girl, durch Likes auf Instagram oder beim Online-Dating – Jugendliche sind ständig von Bewertungen umgeben. Es ist Teil ihres Alltags und wird als etwas ganz Normales erlebt. Die omnipräsenten Rankings führen dazu, dass die Reflexions- und Empathiefähigkeit bei vielen Jugendlichen geschwächt ist oder gar fehlt.
Durch das Bewerten anderer, begibt man sich in eine Machtposition. Für junge Menschen ist das eine Strategie, um Frust abzubauen. Jenen Frust, der sich durch negative Bewertungen, die die Jugendlichen selbst erhalten haben, aufgestaut hat. Viele Täter:innen leiden nämlich selbst unter Minderwertigkeitsgefühlen, die sie so nach außen tragen.
Was den Täter:innen nicht bewusst ist
Die 15-jährige Schülerin Magdalena G. war selbst nicht vom Beliebtheitsranking betroffen. Sie erzählt jedoch, dass derartige Beleidigungen in ihrem Schulalltag gang und gäbe sind. Für viele Schüler:innen sei das lustig. Bis zum Punkt der Veröffentlichung. Magdalena kann sich vorstellen, wie schlecht es ihr als Betroffene gehen würde.
Ich weiß dann – das sehe nicht nur ich, das sehen alle. Ich würde mich ewig selbst hinterfragen
Magdalena G., Schülerin
Die Auswirkungen von Cybermobbing können drastisch sein. Haben die Betroffenen ein intaktes soziales Umfeld, könne es laut Königshofer bei einer vorübergehenden Frustration bleiben. Sei dies nicht der Fall gäbe es keine Grenzen. Junge Menschen können soziale Phobien, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken entwickeln.

Prävention statt Bestrafung
Trotz der schwerwiegenden Auswirkungen wäre es nicht zielführend die Täter:innen von der Schule zu suspendieren oder zu inhaftieren. Das würde besagten Frust der Jugendlichen nur erhöhen, nicht aber das eigentliche Problem bekämpfen. Laut der Lehrerin Julia Ablinger sei es nach einem Cybermobbingvorfall essentiell, alle Betroffenen miteinzubeziehen. Die Täter:innen sollen sich aktiv mittels Entschuldigungen und Gesprächen daran beteiligen, dass es den Opfern wieder besser geht. Man spricht hier vom sogenannten „No blame approach“. Den Täter:innen klar zu vermitteln, dass ihr Verhalten keinesfalls toleriert wird und ihnen dennoch ein offenes Ohr zu bieten, ist der richtige Ansatz, um Bewusstsein zu schaffen. Denn genau das braucht es, um Cybermobbing nachhaltig den Kampf anzusagen.
Was immens wichtig ist, ist die Präventionsarbeit und dass das Thema in der Schule wirklich präsent aufgearbeitet wird
Julia Ablinger, Lehrerin
Präventionsarbeit in Form von Workshops aber auch im regulären Unterricht – Medienkompetenz ist dabei ein Schlüsselbegriff, der bereits Platz in den Lehrplänen des Schulfaches „Digitale Grundbildung“ findet. Darüber hinaus braucht es professionelle Unterstützung von Sozialarbeiter:innen oder Psycholog:innen. Allerdings fehlt es in Schulen hierbei an Ressourcen.
Einmal im Monat kommt für zwei oder drei Stunden eine Schulpsychologin an unsere Schule, weil einfach nicht mehr Kontingent vorhanden ist
Julia Ablinger, Lehrerin
Umso wichtiger ist momentan also die Zusammenarbeit innerhalb der Schulen, indem Hausregeln sowie Lehrpläne, die die Thematik aufgreifen, neu überdacht werden.
Schlussendlich sind sich alle einig – es muss gehandelt werden, um etwaige Gossip Girls und die, die es noch werden wollen in ihre Schranken zu weisen.
Weiterführende Links:
Cybermobbing an Schulen: Linzer Beliebtheitsranking kein Einzelfall (profil.at)
Studie: Cyber-Mobbing- Saferinternet.at
Mobbing in der Schule – No Blame Approach – Beratung in Mobbingfällen (no-blame-approach.de)